Über das Jahr haben sich in der Lichtenberger Kommunalpolitik wieder viele Dinge ereignet. Meine persönlichen Erfolge und Misserfolge stelle ich hier kurz zusammen. Begleitet (natürlich!) von meiner Rede zur Parkstadt Karlshorst. Kein Thema hat in diesem Jahr so viel Zeit und Energie gekostet.
1. Kann Geld Sünde sein?
Frei nach dem Motto: „Kauf Dir Deine Bezirkspolitik“ hatte ein niederländischer Baulöwe 60.000 € an den Bezirksverband der Lichtenberger CDU gespendet. Diese zeigte sich im Gegenzug besonders eilfertig bei der Unterstützung seiner Bauprojekte. Nach einer kurzen medialen Aufregung gab es leider kaum Konsequenzen. Immerhin verabschiedete die BVV auf Anregung der Linken eine „Ehrenordnung“, in der sich die Verordneten noch einmal selbst auf die Grundsätze der Korruptionsprävention verpflichteten. Vor einem starken Einfluss der Bau-Lobby kann letztlich aber nur eine Änderung des Parteiengesetzes schützen.
2. Die AfD grüßen?
Im März schrieb mir die AfD-Lichtenberg eine böse E-Mail. Sie forderten ein, in den Fluren des Rathauses respektvoll gegrüßt zu werden. Sonst waren wir das „Altparteienkartell“, die „Parteien der Systemzeit“ oder die „links-grünen Spinner“, nun sollte aber auf einmal respektvoller Umgang herrschen? Wer in der BVV gegen Flüchtlinge und Andersdenkende hetzt und schlägt [!], kann von mir keine Kollegialität erwarten. Abends Klein-Goebbels, tags drauf der nette Kollege aus der anderen Fraktion? Für ihre bürgerliche Fassade musste sie sich die AfD einen anderen Statisten suchen. Ich grüße keine Faschisten.
3. Ein Kooperationsvertrag mit Beigeschmack
Langsam bekommt es die Deutsche Wohnen mit der Angst zu tun. Ihr Ruf als gefürchteter Miethai und Horrorvermieter machte sie bereits zum unfreiwilligen Maskottchen der Enteignungskampagne. Um das ramponierte Image aufzupolieren, schloss man schnell einen „Kooperationsvertrag“ mit dem Bezirk Lichtenberg. Hier machte man blumige Versprechungen, verpflichtete sich aber konkret zu wenig. Das hielt die SPD-Stadträtin freilich nicht davon ab, alles als großen Erfolg zu verkaufen. Mit unserer Kritik konnten wir uns nicht durchsetzen. Stadtentwicklung ist in Lichtenberg in SPD-Hand und die Tinte unteren Verträgen war bereits trocken.
Das brachte für mich das Fass zu überlaufen. Dem Bezirksamt musste hier besser auf die Finger geschaut werden. Die Antragidee wurde geboren, sämtliche städtebauliche Verträge vor Abschluss der BVV zur Kenntnis zu geben. Überraschenderweise bekamen wir dafür auch eine Mehrheit.
4. Bebauungsplan Ostkreuz: Wie weiter an der Rummelsburger Bucht?
Nach langer Diskussion wurde der Bebauungsplan Rummelsburger Bucht beschlossen. Keine einfache Entscheidung für mich persönlich. Kein Fall verdeutlicht so sehr, in welchem Dilemma linke Kommunalpolitik gelegentlich steckt. Wir konnten Verbesserungen der Situation erreichen – viele werden trotzdem nicht zufrieden sein. Auch im Politikbetrieb gilt manchmal: man liebt die Entscheidung (heimlich), aber nicht die Entscheider (öffentlich).
5. Milieuschutz für die Frankfurter Allee Nord in Sicht
Gemeinsam mit einer engagierten Anwohnerinitiative und dem Direktabgeordneten Sebastian Schlüsselburg haben wir den Milieuschutz für das Gebiet Frankfurter Allee Nord ein ganzes Stück vorangebracht. Im Frühjahr 2020 werden die ersten Untersuchungen beginnen. Auch wenn wir bald deckeln und enteignen wollen – Milieuschutz bleibt wichtig.
6. Kulturkampf und Radverkehr
Noch aus dem letzten Jahr hatten wir die Diskussion um die „Protected bike lane“ in der Siegfriedstraße geerbt. Nach turbulenten Ausschusssitzungen und ungewohnter Medienaufmerksamkeit für meinen Ausschuss ging dann plötzlich in der BVV alles ganz schnell und sachlich. So wünsche ich mir das 2020 öfter.
Jetzt bleibt abzuwarten, ob die real-existierende Radspur die Gemüter beruhigt. Insgesamt geht es mit dem Ausbau des Radverkehrs in Berlin an den entscheidenden Stellen leider viel zu langsam voran. Daran ändern auch 500 Meter in der Siegfriedstraße wenig.
7. Parkstadt Karlshorst: Was dürfen uns Sozialwohnungen wert sein?
Wenig bleibt noch zur Parkstadt zu sagen. Wir haben gekämpft, konnten uns gegen den Investor + SPD, AfD und CDU aber nicht durchsetzen. Die Sozialwohnungen werden in Karlshorst fehlen – einem Kiez der sich in den nächsten Jahren wie kaum ein anderer verändern wird. Es bleibt die Hoffnung, dass wir in Zukunft für solche Auseinandersetzungen besser gerüstet sind und - ziemlich viel Wut im Bauch.
8. Neuer CDU-Stadtrat und Probleme mit der Wahrheit
Zuletzt soll mit Wilfried Nünthel ein langgedienter Bezirksstadtrat zu Beginn des neuen Jahres aus dem Amt scheiden. Der von der CDU nominierte Nachfolger Martin Schäfer wurde nun schon im Dezember von der BVV gewählt. Grundsätzlich ist Martin Schäfer ein engagierter und angenehmer Kollege, der mir durch die gemeinsame Arbeit im Stadtentwicklungsausschuss bekannt ist. Aber schon vor der Wahl verstrickte er sich in heftige Widersprüche. Hatte er uns gegenüber noch behauptet, nicht um Stimmen bei der AfD geworben zu haben, konnten sich diese noch sehr gut an einen Besuch des Kandidaten in ihrer Fraktion erinnern. Dass er uns gegenüber das Gegenteil behauptet hatte, daran wollte sich nun wiederum Herr Schäfer nicht erinnern. Zudem hatte er in seiner Vorstellung mehrmals Gespräche mit dem Bürgermeister zitiert, die so gar nicht stattgefunden hatten. In denen sollte der Bürgermeister geäußert haben, dass Herr Schäfer guten Gewissens auch weiterhin als Gesellschafter der Lichtenberger blu:box fungieren könne. Der Interessenkonflikt, der hier für einen Stadtrat in spe besteht, liegt auf der Hand.
Im ersten Wahlgang ließ die AfD ihn durchfallen, im zweiten wählte sie ihn mit Mehrheit und verhalf ihm so zu Amt und Würden. Wir dürfen nur hoffen, dass sich jetzt niemand verpflichtet fühlen muss.