Im Oktober habe ich eine vorläufige Einschätzung zum neuen "Bürgergeld" abgegeben. Mein Fazit damals - für alle die schon länger im System sind, ändert sich sehr wenig. Verbesserungen gibt es hingegen für diejenigen, die nur kurz Leistungen nach dem SGB II beziehen. Nach dem sich jetzt abzeichnenden Kompromiss zwischen den Ampelparteien und CDU/CSU sind die wichtigsten der positiven Änderungen entfallen. Bleiben tut von den angekündigten Reformen wenig. Der alte Name ist weg, doch aus Hartz IV wird eigentlich nur Bürgerhartz.
Die Ampelparteien rühren heftig die Werbetrommel für das neue „Bürgergeld“. Sozialverbände und Gewerkschaften beklagen hingegen, dass der angekündigte Abschied von Hartz IV allenfalls halbherzig ist. Als Anwalt erlebe ich eine große Verunsicherung vieler Betroffener: Was ist neu ab 2023 und was bleibt gleich? Zunächst ist positiv, dass nach dem aktuellen Regierungsentwurf der Fokus nicht mehr auf Vermittlung in kurzfristige Beschäftigung, sondern die langfristige Eingliederung in den Arbeitsmarkt liegen soll. Zudem wird das Schonvermögen erhöht und durch eine Karrenzzeit von 2 Jahren ein langsames Abschmelzen bestehender finanzieller Reserven ermöglicht. Ähnliches gilt auch für die Anpassung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zudem werden bald mehr Vermögensgegenstände wie z.B. kleine Hausgrundstücke oder angemessene Kfz nicht mehr auf das Schonvermögen angerechnet. Weiterhin werden die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitslosen zur Jobsuche in eine sogenannte Vertrauenszeit und Kooperationszeit abgestuft.
Nur leicht abgemildert wird aber das bestehende Sanktionsregime. Auch ab 2023 können Pflichtverletzungen zu einer Minderung des Regelsatzes von bis zu 30 %, insbesondere auch für Leistungsempfänger unter dem 25. Lebensjahr führen. Zudem werden die Regelsätze nicht grundsätzlich anders berechnet und sind weiterhin zu niedrig. Zwar soll der Regelsatz von 449 EUR auf 502 EUR im neuen Jahr steigen. Angesichts einer Inflation von rund 10 % wären aber wenigstens die vom Paritätischen geforderten 678 EUR angemessen. Ein armutsfestes Existenzminimum, das gesellschaftliche Teilhabe aller garantiert, gibt es auch mit dem neuen Bürgergeld nicht.